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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.02.2007
Aktenzeichen: 4 K 1140/05
Rechtsgebiete: KraftStG


Vorschriften:

KraftStG § 1 Nr. 1
KraftStG § 5 Abs. 1 Nr. 1
KraftStG § 7 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

4 K 1140/05

Kraftfahrzeugsteuer

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 4. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. Februar 2007

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht xxx

den Richter am Finanzgericht xxx

den Richter am Landgericht xxx

die ehrenamtliche Richterin xxx

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger als Insolvenzverwalter für das Fahrzeug mit den Kennzeichen X-Y 222 für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Kraftfahrzeugsteuer herangezogen werden konnte.

Mit Beschluss des Amtsgerichts N vom 7. Dezember 2001 Gesch.Nr.: 6 IN 69/01 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH, ...-Str., G (im Folgenden: A) eröffnet, der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Auf die A war zu diesem Zeitpunkt das Fahrzeug mit den Kennzeichen X-Y 222 zugelassen. Hierbei handelte es sich um einen 1994 erstmals zugelassenen Mercedes-Benz-Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3.500 kg. Die Kraftfahrzeugsteuer für dieses Fahrzeug war auf jährlich 210,65 EUR festgesetzt gewesen und am 21. August 2001 gezahlt worden (Bl. 10 der Steuerakte X-Y 111). Das Fahrzeug wurde auf Grund einer Anzeige der Haftpflichtversicherung vom 25. März 2002, dass das Versicherungsverhältnis am 7. Dezember 2001 beendet worden sei, von der Kreisverwaltung A am 10. April 2002 zur Fahndung ausgeschrieben (Bl. 14 - 17 Steuerakte). Eine Abmeldung des Fahrzeugs erfolgte nach telephonischer Auskunft der Kraftfahrzeugsteuerstelle des Beklagten bis zum 31. Januar 2007 nicht. In einer Freigabeerklärung vom 30. Januar 2002 (Bl. 105 PA) hatte der Kläger gegenüber dem Geschäftsführer der AIG erklärt:

"in meiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter gebe ich hiermit die Fahrzeuge X-Y 222, X-Y 333, X-Y 444 und X-Y 111 aus der Masse frei."

Am 15. Januar 2002 berechnete der Beklagte für das streitbefangene Fahrzeug die Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum vom 21. August 2001 bis zum 6. Dezember 2001 neu auf 62,-- EUR, da die Steuerpflicht am 7. Dezember 2001 geendet habe. Eine entsprechende Berechnung wurde dem Kläger als Insolvenzverwalter übersandt; das unter Anrechnung der geleisteten Zahlung von 210,65 EUR entstehende Guthaben von 148,65,-- EUR wurde mit Umsatzsteuerrückständen der Gemeinschuldnerin verrechnet. Mit Bescheid vom selben Tage setzte der Beklagte für dieses Fahrzeug die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab 7. Dezember 2001 auf jährlich 210,-- EUR gegen den Kläger als Insolvenzverwalter als sonstige Masseverbindlichkeit fest.

Zur Begründung des am 29. Januar 2002 erhobenen Einspruchs erklärte der Klägervertreter zunächst, dass u.a. das streitbefangene Fahrzeug mit gleicher Post aus der Masse freigegeben worden seien; eine etwa bestehende Steuerpflicht sei daher jedenfalls mit sofortiger Wirkung entfallen. Weiter trug er vor, dass die Kraftfahrzeugsteuer für den jetzt geltend gemachten Zeitraum längst bezahlt gewesen sei. Der Insolvenzverwalter bzw. die Insolvenzmasse hafte nach Verfahrenseröffnung nur dann für die Steuer, wenn diese zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung für das jeweilige Fahrzeug noch nicht bezahlt gewesen sei. Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2002 stellte der Beklagte seine Sicht der Sach- und Rechtslage ausführlich dar und forderte den Klägervertreter zur Stellungnahme auf. Trotz Erinnerung am 19. September 2002 ging keine Stellungnahme des Klägervertreters ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2002 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass das bisher auf die A angemeldete Fahrzeug aus buchungstechnischen Gründen als abgemeldet behandelt worden sei; zugleich sei ein neuer Kraftfahrzeugsteuerbescheid für die Gemeinschuldnerin mit dem Kläger als gesetzlichen Vertreter erlassen worden. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde zwar der Besteuerungszeitraum nicht unterbrochen, aber nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen sei mit Verfahrenseröffnung ein Ausgleich zwischen den Vermögen des Insolvenzschuldners vor und nach der Verfahrenseröffnung vorzunehmen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe die A ihr Verfügungsrecht über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen verloren; das bis dahin zum Vermögen der A gehörenden Fahrzeug sei Vermögen der Masse geworden. Nur der Insolvenzverwalter sei ab diesem Zeitpunkt über das Fahrzeug verfügungsberechtigt. Er entscheide, ob es zur Abmeldung komme oder ob das Fahrzeug zu Gunsten der Masse weiter genutzt werde. Die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Gemeinschuldner beende die Steuerpflicht ebenso wenig wie die bloße Mitteilung über die Freigabe des Fahrzeugs. Werde das Fahrzeug nicht für die Masse genutzt, könne der Insolvenzverwalter durch eine Abmeldung die Entstehung neuer Kraftfahrzeugsteuer verhindern. Nutze er das Fahrzeug allerdings zu Gunsten der Masse, seien die damit zusammenhängenden Ansprüche auch aus der Masse zu entrichten. Dementsprechend sei vom Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an das Halten des Fahrzeugs nicht der Gemeinschuldnerin, sondern dem Kläger als deren gesetzlichen Vertreter zugerechnet worden. Auf den weiteren Inhalt der Einspruchsentscheidungen wird verwiesen.

Zur Begründung seiner Klage verwies der Klägervertreter auf seinen Vortrag in dem Parallelverfahren 4 K 1138/05. Dort hatte er in seinem Schriftsatz vom 18. Februar 2003 klar gestellt, dass Ziel der Klage eine Aufhebung des gegen ihn gerichteten Kraftfahrzeugsteuerbescheids sei. Er hatte dort zunächst ausgeführt, dass der Beklagte fehlerhaft "aus buchungstechnischen Gründen" von einer Beendigung der Steuerpflicht des Gemeinschuldners und einer zeitgleichen Begründung der Steuerpflicht des Insolvenzverwalters durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgegangen sei. Die Gemeinschuldnerin sei eine GmbH, die durch ihren Geschäftsführer vertreten worden sei. Lediglich in der Person des Vertreters sei ein Wechsel auf den Kläger als Insolvenzverwalter eingetreten, das Fahrzeug gehöre nach wie vor zum Vermögen der GmbH. Der vom Beklagten eingeschlagene Weg führe dazu, dass bereits bezahlte Kraftfahrzeugsteuer auf Grund der eigenmächtigen Ummeldung des Fahrzeugs durch den Beklagten zu theoretischen Steuerguthaben führten, die mit Altforderungen verrechnet würden und damit dem Beklagten auf Kosten anderer Gläubiger eine überquotale Befriedigung verschafften. Es müsse dabei bleiben, dass Kraftfahrzeugsteuer, die für einen bestimmten Entrichtungszeitraum gezahlt worden sei, erledigt sei und nicht aus buchungstechnischen Gründen nochmals verlangt werden könne. Auch wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 18. November 2003 VII R 62/03 der Ansicht sei, dass im Falle einer Insolvenzeröffnung ein etwaiger Wechsel in der Steuerpflicht durch entsprechende Bescheide gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen sei, stelle er doch klar, dass die Insolvenz nicht automatisch zum Wechsel des Steuerschuldners führe. Vielmehr sei die Kraftfahrzeugsteuer nur dann aus der Masse zu befriedigen, wenn das Fahrzeug für die Verwaltung der Masse genutzt werde. Dies sei nicht der Fall. Das in diesem Verfahren streitbefangene Fahrzeug sei nach den Angaben des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin bereits 1998 im Rahmen eines belgischen Zwangsvollstreckungsverfahrens in Belgien gepfändet und zwangsversteigert worden. Durch diesen belgischen Hoheitsakt habe bereits die Insolvenzschuldnerin jede Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Fahrzeug verloren. Drei Jahre nach diesem Vorfall könne die Verfügungsbefugnis nicht wieder auf den Insolvenzverwalter übergegangen sein. Es sei unbekannt, ob das Fahrzeug überhaupt noch existiere. Es gehöre jedenfalls nicht mehr zum Vermögen der Insolvenzschuldnerin, so dass sich das Insolvenzverfahren auf dieses Fahrzeug nicht beziehen könne. Es sei Aufgabe des Insolvenzverwalters, das zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung vorhandene Vermögen der Gemeinschuldnerin zu versilbern, nicht aber, etwaige Unterlassungen der Gemeinschuldnerin in den Jahren vor der Insolvenzeröffnung aufzuarbeiten. Dem Insolvenzbeschlag unterliege nur die Aktivmasse des Schuldners; Verpflichtungen aus der Masse könnten nur durch Handlungen oder Unterlassungen des Insolvenzverwalters entstehen. Wenn aber ein Fahrzeug nicht mehr vorhanden sei, könne der Insolvenzverwalter keine Handlungen oder Unterlassungen vornehmen, daher könne auch keine Steuerschuld des Insolvenzverwalters entstehen. Pflichtverletzungen des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin könnten allenfalls zu Insolvenzforderungen, niemals aber zu Masseforderungen führen. Davon abgesehen habe der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin versucht, durch entsprechende eidesstattliche Versicherungen beim Straßenverkehrsamt eine Abmeldung zu erreichen. Zumindest müsse der Beklagte die Freigabeerklärung des Klägers beachten, so dass er zwischenzeitlich einen Schlussbescheid allenfalls über den Zeitraum bis zur Freigabe hätte erlassen müssen.

Mit Verfügung vom 15. Juli 2005 forderte das Gericht den Klägervertreter auf, geeignete Nachweise für vorgetragene Versteigerung des Fahrzeugs in Belgien beizubringen, insbesondere das Pfändungsprotokoll und die mit der Versteigerung zusammenhängenden amtlichen und gerichtlichen Dokumente. Zudem wurde der Klägervertreter aufgefordert, zu erläutern, wieso trotz des vorgetragenen Eigentumsverlustes bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kraftfahrzeugsteuer und die Versicherungsprämien weitergezahlt wurden. Ebenso sollten Kauf- bzw. Leasingvertrag für das Fahrzeug vorgelegt und der Verbleib von Fahrzeugbrief und -schein nachgewiesen werden (Bl. 60 PA). In seinem Antwortschreiben führte der Klägervertreter aus, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt sich über 3 Jahre vor dem Insolvenzantrag zugetragen habe. Selbst der letzte Geschäftsführer sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Amt und Würden gewesen. Die vom Gericht angeforderten Unterlagen lägen daher nicht vor. Der Kläger könne nichts dazu sagen, wieso die Insolvenzschuldnerin die Kraftfahrzeugsteuer und die Versicherungsprämien weitergezahlt habe. Unverständlich sei, wieso nach Ansicht des Beklagten der Kläger keine Freigabeerklärung hätte abgeben dürfen, wenn das Fahrzeug nicht mehr vorhanden sei. Es sei sicherlich gerechtfertigt, rein vorsorglich auch die Freigabe etwa noch vorhandener Fahrzeuge zu erklären.

In einer mit Schriftsatz vom 31. August 2005 eingereichten Erklärung des Geschäftsführers der A, Herrn M, gab dieser an, dass die Kraftfahrzeugsteuer zunächst weiter entrichtet worden sei, da eine Abmeldung der - nicht konkret, z.B. mit Kennzeichen oder sonstigen Unterscheidungsmerkmalen bezeichneten - Fahrzeuge nicht möglich gewesen sei. Die hierzu erforderlichen Fahrzeugpapiere und -kennzeichen hätten gefehlt, sie seien offenbar gleich mitversteigert worden. Erst nach entsprechenden eidesstattlichen Versicherungen bei der Zulassungsstelle seien die Fahrzeuge abgemeldet worden. Das - nicht näher bezeichnete - Verfahren sei von einer Kanzlei in Belgien geführt worden, diese sei noch im Besitz aller Unterlagen. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens (Bl. 76 PA) wird verwiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 15. Januar 2002 zur Steuernummer X-Y 222 sowie die Einspruchsentscheidung vom 29. November 2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den bisherigen Halter die Kraftfahrzeugsteuerpflicht geendet habe, da er ab diesem Zeitpunkt die Befugnis verloren habe, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten oder darüber zu verfügen. An seiner Stelle werde der Kläger ab Verfahrenseröffnung gesetzlicher Vertreter i.S.d. § 34 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) und damit verfügungsberechtigt über das Fahrzeug. Er entscheide durch sein Handeln, ob und wann es zur Abmeldung komme. Das Fahrzeug sei nicht sofort abgemeldet worden und gehöre damit zur Insolvenzmasse. Der Kläger sei als Insolvenzverwalter ab Insolvenzeröffnung Steuerschuldner der Kraftfahrzeugsteuer. Diese entstehe täglich neu durch das Halten des Fahrzeugs. Der Besteuerungszeitraum sei zwar durch die Verfahrenseröffnung nicht unterbrochen, dennoch sei aus insolvenzrechtlichen Gründen eine Aufteilung der Vermögensmassen auf die Zeit vor und nach Verfahrenseröffnung vorzunehmen, was durch die Erteilung eines neuen Steuerbescheids an den Kläger geschehen sei.

Der Kläger habe erstmals in seiner Klagebegründung vorgetragen, dass das Fahrzeug bereits 1998 in Belgien zwangsversteigert worden sei. Dem sei entgegenzuhalten, dass die Steuerpflicht gem. § 5 Abs. 5 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) bei der Veräußerung eines Fahrzeugs für den Veräußerer in dem Zeitpunkt ende, in dem die verkehrsrechtlich vorgeschriebene ordnungsgemäße Veräußerungsanzeige (§ 27 Abs. 3 Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO)) bei der Zulassungsstelle eingehe und dies dem Finanzamt mitgeteilt werde. Nach Rückfrage bei der zuständigen Zulassungsstelle sei dort die so genannte "Versicherungsanzeige" erst am 25. März 2002 eingegangen, das Fahrzeug sei am 10. April 2002 zur Fahndung ausgeschrieben worden. Das Fahrzeug könne nunmehr frühestens nach 2 Jahren verkehrsrechtlich abgemeldet werden. Nach § 5 Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung (KraftStDV) seien für die verkehrsrechtlichen Angelegenheiten allein die Verkehrsbehörden zuständig. Die entsprechenden Daten, die dem Finanzamt von der Verkehrsbehörde übermittelt würden, seien Grundlagenbescheide i.S.d. § 171 Abs. 10 Abgabenordnung (AO) und somit bindend. Das Finanzamt habe selbst keine Berechtigung, ein Fahrzeug abzumelden bzw. eine Beendigung der Steuerpflicht entgegen den Angaben der Verkehrsbehörden herbeizuführen. Da die Zulassungsbehörde das Fahrzeug noch nicht abgemeldet habe, bestehe grundsätzlich noch die Steuerpflicht, und zwar auch für den Insolvenzverwalter. Ein Beweis für die vom Kläger behauptete Zwangsversteigerung liege nicht vor. Zudem hätte, wenn ein hoheitlicher Akt einer belgischen Behörde vorliege, eine entsprechende Mitteilung an die deutschen Zulassungsstellen ergehen müssen. Auch lasse die Tatsache, dass die Kraftfahrzeugsteuer und die Versicherungsprämien von der Gemeinschuldnerin noch im Jahr 2001 gezahlt worden sei, darauf schließen, dass die Gemeinschuldnerin sich noch bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Halterin betrachtet habe; sonst wäre eine entsprechende Versicherungsanzeige früher abgegeben worden. Diese Annahme werde auch durch die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters bestätigt, der sich demnach bewusst gewesen sein musste, dass das Fahrzeug vorhanden gewesen sei. Es werde nicht bestritten, dass eine eventuelle Steuerpflicht für die Insolvenzmasse durch Freigabe des Fahrzeugs aus der Masse umgangen werden könne. Konkrete Beweise für eine solche Freigabe lägen aber nicht vor. Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts München bleibe der Insolvenzverwalter auch bei einer Freigabe des Fahrzeugs aus der Masse bis zur ordnungsgemäßen Abmeldung des Fahrzeugs Steuerschuldner. Es sei auch eine bloße Behauptung, dass die Existenz des Fahrzeugs nicht bekannt sei und dass dieses eventuell nicht mehr existiere, bewiesen sei dies nicht. Wenn der frühere Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin nunmehr behaupte, die Vorgänge bezüglich des nach Belgien verbrachten Fahrzeugs seien einer benannten Kanzlei vorhanden, stelle sich die Frage, warum diese Unterlagen nicht der Zulassungsstelle zugeführt worden seien. Auch bei einer Abmeldung in Belgien wäre die Zulassungsstelle informiert worden. Dies sei aber unterblieben, so dass das Fahrzeug nach wie vor als zugelassen gelte.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht für die Zeit nach Insolvenzeröffnung Kraftfahrzeugsteuer gegen den Kläger festgesetzt.

1) Das Gericht konnte in der mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2007 in Abwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden. Der Klägervertreter war mit Verfügung vom 29. Januar 2007 zu der mündlichen Verhandlung geladen worden; hierbei war er darauf hingewiesen worden, dass im Falle seines Ausbleibens auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne. Die Ladung war dem Klägervertreter am 30. Januar 2007 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Am Morgen des Sitzungstages hat der Klägervertreter telephonisch mitgeteilt, dass für den Kläger niemand erscheinen würde.

2) Nach § 1 Nr. 1 KraftStG unterliegt das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen der Kraftfahrzeugsteuer. Die Steuerpflicht dauert gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG, solange das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist, mindestens jedoch einen Monat. Sie endet nach § 5 Abs. 4 KraftStG, wenn das Fahrzeug vorübergehend stillgelegt oder aus dem Verkehr gezogen wird, sobald der Fahrzeugschein zurückgegeben oder eingezogen und das Kennzeichen entstempelt worden ist. Bei einer Veräußerung endet gem. § 5 Abs. 5 KraftStG die Steuerpflicht für den Veräußerer in dem Zeitpunkt, in dem die nach § 23 Abs. 7 StVZO vorgeschriebene Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsbehörde eingeht.

Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer ist nach § 7 Nr. 1 KraftStG grundsätzlich derjenige, für den das Fahrzeug zum Verkehr verkehrsbehördlich zugelassen ist. Im Streitfall ist die Zulassung auf die AIG erfolgt, eine Ummeldung des Fahrzeugs auf den Kläger fand nicht statt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) werden allerdings die Vorschriften des KraftStG durch die des Insolvenzrechts überlagert und modifiziert. Kraftfahrzeugsteuer, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, ist deshalb Masseforderung und durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen, wenn das Fahrzeug für die Masse (bei deren Verwaltung) genutzt wird (vergl. BFH-Urteil vom 16. November 2004 VII R 62/03, BStBl II 2005, 309).

Dem Insolvenzbeschlag unterliegt das gesamte Vermögen des Gemeinschuldners, soweit es nicht pfändungsfrei ist, was betreffend das hier streitbefangene Fahrzeug nicht vorgetragen oder ersichtlich ist. Der Kläger hat sich darauf berufen, dass das Fahrzeug niemals dem Insolvenzbeschlag unterlegen habe, da es schon lange vor Insolvenzeröffnung im Rahmen einer Zwangsversteigerung in Belgien verwertet worden sei. Hier ist jedoch zu sehen, dass er für diesen Vortrag keinerlei Nachweis erbracht hat. Der Vortrag selbst ist schon wenig substantiiert. Es wurde weder ein konkretes Datum noch ein Aktenzeichen angegeben, der Name des betreibenden Gläubigers oder die Bezeichnung des die Versteigerung durchführenden Gerichts wurden nicht benannt. Dokumente (Schriftverkehr, Quittung, Abrechung etc.) wurden nicht vorgelegt. Eine im Falle einer Versteigerung im EU-Nachbarland Belgien vorgeschriebene Benachrichtigung der deutschen Verkehrszulassungsbehörde ist nicht erfolgt. Es ist damit schon nicht belegt, dass überhaupt eine derartige Versteigerung erfolgte. Auch die vorgelegte Bestätigung des Geschäftsführers der A ist nur vage und als Nachweis unbrauchbar. Sie enthält keine Details und bezieht sich zudem auf eine nicht näher bezifferte Vielzahl - nicht konkretisierter - Fahrzeuge, es werden nicht einmal die Kennzeichen der Fahrzeuge benannt. Hinzu kommt, dass nach den eigenen Angaben des Klägers der Geschäftsführer M zur - nicht datierten - Zeit der behaupteten Versteigerung noch gar nicht "in Amt und Würden" war und daher als Auskunftsperson ungeeignet erscheint, was sich auch in seiner äußerst unpräzisen schriftlichen Darstellung widerspiegelt, die keine eigene Kenntnis des Sachverhalts erkennen lässt.

Zudem ist es nach Auffassung des Gerichts unerheblich, ob der Kläger das Fahrzeug in Besitz genommen oder tatsächlich für die Insolvenzmasse genutzt hat. Für die Kraftfahrzeugsteuer ist nicht das Fahrzeug selbst der Anknüpfungspunkt, sondern das "Halten" zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Gemeint ist damit das verkehrsrechtlich gegebene Recht zur Benutzung des Fahrzeugs, unabhängig davon, ob von diesem Recht Gebrauch gemacht wird oder gemacht werden kann. Das Nutzungsrecht entsteht mit der Zulassung des Fahrzeugs zum öffentlichen Straßenverkehr. Es entfällt nicht dadurch, dass der Halter das Fahrzeug nicht nutzen will oder nicht nutzen kann, ebenso bleibt es bestehen, wenn das Fahrzeug nicht - mehr - im Straßenverkehr bewegt wird, sondern nur noch außerhalb öffentlicher Straßen oder auf Privatgrund abgestellt wird. (s. Strodthoff, KraftStG, § 1 KraftStG Rz. 25 ff). Grundlage der Besteuerung ist ein Zustand, der von der Person des Erlaubnisinhabers unabhängig ist (vergl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 147/84, BStBl II 1987, 272). Es entspricht der Rechtsprechung des BFH (s.o.), dass dieses Recht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergeht, der damit zum Steuerschuldner der durch das "Halten" begründeten Kraftfahrzeugsteuer wird. Da die Kraftfahrzeugsteuer nicht unmittelbar an den Besitz des Fahrzeugs, sondern an das "Halten" anknüpft, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger die Fahrzeuge selbst für die Masse in Besitz genommen hat, es reicht aus, dass die Stellung des "Halters" auf ihn übergegangen ist (vergl. Finanzgericht (FG) Münster, Urteil vom 16. Juni 2006 13 K 3960/04, EFG 2006, 1704).

Eine Beendigung dieser Steuerpflicht kann nur durch eine Aufhebung des "Haltens" i.S.d. Rechts auf Nutzung des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr herbeigeführt werden. Erforderlich hierzu ist eine Abmeldung des Fahrzeugs bei der Zulassungsstelle. Es ist Aufgabe des Insolvenzverwalters, das Vermögen zu sichern, zu ordnen und zu verwerten. Hierzu gehört auch die Beendigung nicht erforderlicher Minderungen der Masse, z.B. durch Nichteintritt in laufende Verträge. Im Falle der Kraftfahrzeugsteuer muss der Insolvenzverwalter, will er das Weiterlaufen der Kraftfahrzeugsteuer während der Dauer des "Haltens" verhindern, in der gesetzlich vorgesehenen Weise die Beendigung des "Haltens" herbeiführen (so schon BFH, Urteil vom 18. Dezember 1953 II 190/52 U, BStBl III 1954, 49). Es ist selbst dann Aufgabe des Insolvenzverwalters, das Ende der Kraftfahrzeugsteuerpflicht herbeizuführen, wenn das Fahrzeug nicht - mehr - Bestandteil der Insolvenzmasse ist (vergl. FG München, Urteil vom 31. März 2006 4 K 2665/05). Er hat dazu alles in seiner Macht Stehende zu tun, um eine Beendigung der Steuerpflicht zu erreichen. Eine bloße Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters reicht hierzu nicht aus (vergl. FG München, Urteil vom 12. Juli 2006 4 K 4336/05, ZIP 2006, 1881; Strodthoff, a.a.O., § 5 KraftStG Rz. 6a). Zwar verliert der Insolvenzverwalter hierdurch seine Verfügungsbefugnis, die entsprechende Erklärung ersetzt aber nicht die nach § 27 Abs. 3 Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) erforderliche Anzeige gegenüber der Zulassungsstelle. Die einseitige Freigabeerklärung stellt zwar keine Veräußerung i.S.d. § 5 KraftStG dar, allerdings ist es schon wegen der Notwendigkeit einer eindeutigen Zuordnung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht geboten, in analoger Anwendung des § 5 Abs. 5 KraftStG eine Beendigung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht des Insolvenzverwalters an die Erfüllung der zulassungsrechtlichen Vorschriften zu knüpfen (vergl. Niedersächsisches FG, Urteile vom 25. Mai 2002 14 K 170/01 und vom 15. August 2002 u.a. 14 K 20/00, jeweils JURIS; siehe auch FG Düsseldorf, Urteil vom 24. August 2006 8 K 3089/05, EFG 2006, 1787). Die Steuerpflicht des Klägers für das streitbefangene Fahrzeug läuft damit bis zur Abmeldung des Fahrzeugs weiter.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. In seiner Entscheidung vom 16. November 2004 VII R 62/03 (a.a.O.) hat der BFH die Möglichkeit erwähnt, dass bei einer Nutzung des Fahrzeugs außerhalb der Insolvenzmasse die Kraftfahrzeugsteuer das insolvenzfreie Vermögen oder den Erwerb des Schuldners betreffe. Es erscheint - auch im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 18. Dezember 1953 (a.a.O.) - klärungsbedürftig, inwieweit sich hieraus Auswirkungen ergeben auf den hier vorliegenden Fall, dass eine Abmeldung des Fahrzeugs nicht vorgenommen wurde, obwohl es - möglicherweise - weder dem Insolvenzverwalter noch der Gemeinschuldnerin zur Verfügung gestanden hat; ebenso bedarf der Klärung, wer die steuerlichen Folgen einer unterlassenen Abmeldung zu tragen hat. Die derzeit beim BFH anhängigen Verfahren IX R 58/06 (vorgehend FG Münster, Urteil vom 16. Juni 2006, a.a.O.), IX R 4/07 (vorgehend FG München, Urteil vom 31. März 2006, a.a.O.) und IX R 59/06 (vorgehend FG Düsseldorf, Urteil vom 24. August 2006, a.a.O.) betreffen vergleichbare Sachverhalte.

Verkündet am 23.02.2007

Ende der Entscheidung

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